Meine Erfahrungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln

Jawl hat über ÖPNV geschrieben. Da ich 18 Jahre in einem Kaff in Tirol gelebt habe und seit drei in einem Kaff vor Paderborn weile, habe ich da auch etwas zu erzählen. Gerade in Zusammenhang mit den Jahren dazwischen in Wien.

Immer Erster in der Volksschule

Meine Eltern haben entschieden, dass die Schule im Nachbarort (Schönberg) besser für mich geeignet ist, als die im Ort (Mieders), in dem wir lebten. Im Nachhinein sehe ich das ähnlich, damals war es mir größtenteils egal. Allerdings befanden sich nun gut zwei Kilometer zwischen mir und meiner Bildungsstätte. Da wir das zweitvorderste Dorf in einem langen Tal waren fuhr der Bus stündlich. Wenn ich mich richtig erinnere jeweils fünf Minuten nach Punkt. Die Schule beginnt um 8. Der Bus fährt um 7:05 und 8:05. Somit war ich meist eine dreiviertel Stunde vor Beginn in der Schule. Später bin ich in der Früh oft noch zu einem Freund gegangen, der im Ort der Schule wohnte. Alternativ zum Bus konnte ich zu Fuß gehen. Meine siebenjährigen Füße brauchten dafür eine halbe bis dreiviertel Stunde. Entlang der Landstraße. Immerhin gab es einen Bürgersteig. Wenn man sich kurz das Wetter in Tirol vor Augen führt, merkt man aber dass diese Option nur ein paar Monate im Jahr und eher Mittags als Morgens praktisch ist.

Um drei vor sieben gab es zusätzlich einen Schnellbus. Dieser fuhr am Nachbarsdorf vorbei und wenn ich ihn unglücklicherweise nahm (Abfahrzeiten waren mindestens +/-5 Minuten) dauerte es eine halbe Stunde in die Stadt, dort musste ich eine halbe Stunde warten bis der nächste Bus wieder zurück fuhr und dann hatte ich genug Abenteuer für den Tag.

Eineinhalb Stunden Schulweg

Nach der Volksschule ging es ins Gymnasium in die Möchtegern-Weltstadt Innsbruck. Ich konnte mit dem gleichen Bus fahren und dieses Mal war der Schnellbus sogar nützlich. Außer wenn ich den Schulweg gemeinsam mit meinem Freund aus dem Nachbarort bestreiten wollte, denn der konnte nur mit dem normalen Bus fahren. Um etwa 7:30 waren wir in der Stadt, dann zu Fuß zum Schulgebäude und es war, je nachdem wie schnell wir unterwegs waren, war es 7:45. Das war ganz in Ordnung und man konnte noch schnell eine Hausübung vergleichen. Später wurden die Semestertickets geändert und wir konnten statt zu gehen auch mit dem Linienbus in der Stadt fahren (zuvor hätten wir dafür extra zahlen müssen). Zeitlich machte es keinen großen Unterschied, aber je nach Wetterlage, war es angenehm. Mittags mussten wir manchmal laufen, um den Bus noch zu erwischen, besonders wenn Lehrer überzogen, aber im Großen und Ganzen funktionierte es ganz gut. Außerdem konnten wir durch unseren „Langfahrer“-Status bis zu 15 Minuten früher den Unterricht verlassen. Auch wenn es nicht immer nötig gewesen wäre. Wir haben es auch nur selten genutzt.

Leider entschloss man sich irgendwann die Schule umzubauen und so verbrachten wir die letzten Schuljahre in Containern. Neben dem Flughafen. Am anderen Ende der Stadt. Es kamen mal eben 20 Minuten zum Schulweg hinzu, was aufgrund der stündlichen Abfahrtszeiten zu einem wesentlich längeren Schulweg führte.

Abends fuhr der letzten Bus um 22:00 Uhr. Als ich etwa 15 war führte man einen zusätzlichen Nachtbus an Freitagen, Samstagen sowie vor Feiertagen ein. Dieser fuhr um 24:00 Uhr. Dadurch wurde es möglich auch einmal Abends unterwegs zu sein. Untertags war es nur sinnvoll, wenn ich direkt nach der Schule zu Freunden ging, statt heimzufahren und wieder hinauszufahren.

Mit 16 Jahren begann ich meinen Führerschein, den ich mit 17 erhielt. Plötzlich Freiheit. Zusätzlich konnte ich meine betrunkenen Schulkameraden heimbringen. Mit dem Auto schafft man es in sieben Minuten in die Stadt. 15 Minuten sind ein sinnvollerer Zeitrahmen. Es ermöglichte weitere Freizeitaktivitäten. Allerdings mit der Einschränkung, dass ich das Auto untertags nicht immer haben konnte. In Ausnahmefällen fuhr ich mit dem Auto in die Schule.

ÖPNV Himmel Wien

Nach dem Gymnasium ging es nach Wien. Mein Semesterticket kostete erst 100€ und als ich meinen Hauptwohnsitz dort anmeldete nur noch 50€. In Wien sagt man eigentlich immer, dass man in einer halben Stunde da sein kann. Und tatsächlich ist es möglich von fast jedem Punkt zu jedem Punkt mit öffentlichen Verkehrsmitteln in einer halben Stunde zu kommen. Hauptsächlich habe ich die Ubahn genutzt. Je besser man über das Smartphone die Route planen konnte, auch Busse und Straßenbahnen. Ein Auto habe ich dort nur vermisst wie ich umzog. Öffentliche Verkehrsmittel in Wien sind günstig, meist pünktlich, kommen fast überall hin und lassen mir nur wenig Platz für Kritik.

Ernüchterung vor Paderborn trotz Bus und Bahn

Jetzt lebe ich in einem Vorort vor Paderborn. Es gibt einen Bahnhof mit einer Schnellbahn, die etwa alle 20 Minuten nach Paderborn fährt. Und dafür gerade Mal 13 Minuten oder so braucht. Leider wohne ich etwa 20 Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Auf einem Hügel. Der Bahnhof ist auch auf einem Hügel. Leider nicht auf dem selben. Zusätzlich gibt es einen Bus. Der Fährt zwar nur stündlich, aber ich bin in fünf Minuten an der Haltestelle. Dafür braucht er etwa eine halbe Stunde in die Stadt. Paderborn hat eine Campusuni. Am Stadtrand. Dafür gibt es eine Uni-Linie, die direkt vom Bahnhof zur Uni fährt und das in wenigen Minuten. Wenn sie fährt. Retour fahren die meisten Linien erst in einem Kreis um die Innenstadt bevor sie zum Bahnhof kommen. Meistens fahre ich nicht mit dem Zug, sondern mit dem Bus. Der hält bereits früher und innerhalb von fünf bis zehn Minuten kommt der meist überfüllte Anschlussbus, der mich zur Uni bringt. Retour kann ich ins Nachbardorf direkt von der Uni fahren. Der Bus fährt nicht einmal stündlich und ich muss dann noch eine halbe Stunde spazieren. Oder ich nehme wieder einen Bus in die Stadt hinein und fahre mit dem normalen Bus wieder hinaus. Der Bus zum Bus fährt um zweimal pro Stunde. Einmal kurz nach Punkt und einmal um 33. Der Bus heim fährt um 40. Die meisten Lehrveranstaltungen enden um 45. Meist gehe ich 20 Minuten früher, um den Bus um 33 zu erwischen, um den Bus um 40 zu erwischen. Wenn das nicht geht, dann kann es fast zwei Stunden dauern bis ich von der Uni nach Hause komme. Das nervt extrem. Mit dem Auto brauche ich fünfzehn Minuten.

Veränderungen und Sonstiges

Die Linie nach Innsbruck wurde inzwischen stark ausgebaut. Der Bus fährt inzwischen etwa alle 20 Minuten und es gibt Nachtbusse, die stündlich fast die gesamte Nacht durchfahren.

In Wien gibt es inzwischen für alle eine Jahreskarte um 365€. War früher viel teurer, auch wenn ich das als Student nicht mitbekommen habe.

Der Bus nach und aus Paderborn raus ist meist mit weniger als zehn Personen gefüllt und muss wahrscheinlich stark subventioniert werden. Es gibt vermutlich auch die Wechselwirkung, dass Linien, die selten fahren seltener genutzt werden, also solche, die öfter fahren. Weil man sich nicht darauf verlassen kann.

Durch die öffentlichen Verkehrsmittel habe ich viel Zeit in meinem Leben verwartet. Und ich bin ziemlich froh darüber, dass Smartphones mehr Abwechslung reinbringen und man die Zeit teilweise sogar sinnvoll nutzen kann. Trotzdem halte ich es nicht mehr lange aus.


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Kommentare

2 Antworten zu „Meine Erfahrungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln“

  1. Avatar von Martin

    Du hast eine gute Erinnerung. Sehr schön.
    Heute über den interessanten Ansatz von Helsinki gelesen: http://www.theguardian.com/cities/2014/jul/10/helsinki-shared-public-transport-plan-car-ownership-pointless?CMP=twt_gu
    Aber die Frage bleibt natürlich wie das am Land funktionieren soll…

  2. Avatar von Georg
    Georg

    Du brauchst einen eGolf oder einen Hybrid. Deine täglichen Strecken werden sicher nicht länger als 150 sein. Solarzellen aufs Carport und du transportierst dich de facto autark. Zukunft, grün, jetzt!

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